Deine Geschichte

Willkommen in deiner Welt. Hier geht es um das, was du bereits erlebt hast.


(Kein) Coming Out Ratgeber


Ich hab dieses Thema als Teenie gehasst. Für viele kann es gut sein und für manche ist es der Untergang von allem. Bei mir war es beides, aber näher am Untergang.

Heute beneide ich die, die den Mut haben sich nicht zu verstellen, sich selbst zu lieben oder einfach stolz sind auf das was sie sind.
Damals war es mir nicht gegönnt denke ich heute. Mein Outing war mit stolzen 14 Jahren, bei der Nr.1 aller Vertrauenspersonen in meinem Leben: meiner Mutter.

Sie hat es absolut gut aufgefasst. Ihre Reaktion auf meine Frage: »Mama, was wäre, wenn ich bi wäre?«, war lediglich »Bi gibt's nicht, du bist schwul!«
Ich war begeistert von ihrer Offenheit und habe mich wohl gefühlt, obwohl ich Zweifel hatte und dem Braten nicht getraut hatte, aber das war einfach ICH. Skeptisch durch und durch.

Im Nachhinein war es eine dumme Idee, die mein Leben verändert hat.
Leider nicht zum guten. Meiner Ansicht nach, wenn jemand so etwas in Erfahrung bringt, schweigt man darüber, wie bei einem Coming Out.

Meine Mutter war nicht dieser Ansicht nicht. Das erstbeste was sie gemacht hat, war es meiner Familie und in ihrer Kneipe zu erzählen… Was folgte war Mobbing in der Schule, soziale Ängste und das Abkapseln von den Menschen in meinem Umfeld.
Ich habe begonnen mich zurückzuziehen und bin abgestürzt.

Meine Sexualität wurde erschüttert. Meine Selbstachtung wurde zerstört. Vom Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein will ich überhaupt nicht anfangen.
Ich hab mich gehasst. Dieser Hass begann zu wachsen und dieser Hass bestärkte meine schlechten Gefühle.

Das Coming Out ist wichtig für einen selbst, aber nicht wichtig für die Gesellschaft.
Coming Out heißt nicht sich selbst davon zu überzeugen, dass Man Selbst Sein , richtig oder falsch ist, sondern sich selbst zu akzeptieren.
Egal ob aus religiösen Gründen oder kulturellen oder was auch immer.
Selbst wenn die Eltern Homophob sind. Das ist kein Grund bzw. sollte keiner sein!

Outen sich Heterosexuelle? Nein, wieso auch? Ich habe mal einen Spruch gehört, der mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist.

“Gene machen keine Familie, Liebe schon!"


Dieser Spruch hat meine Denkweise verändert. Egal ob eure Eltern euch hassen oder euch sogar rauswerfen würden.
Das mag schlimm sein, aber glaubt mir:
Das ist nicht so schlimm, wie Selbsthass, der in euch wächst und gedeiht.
Dieses Leben wollt ihr nicht.

Mein Text soll euch nicht zeigen wie scheiße mein Leben ist oder mein persönliches Outing widerspiegeln.
Viel mehr will ich euch zeigen, auf was es wirklich ankommt.

Entdeckt euch selbst. Habt keine Angst vor Neuem oder dem ausprobieren.
Lebt euer Leben wie ihr es wollt. Seid egoistisch und folgt eurem Weg und nicht dem eines anderen. Egal in welchem Alter euer Coming Out stattfindet, ist es ein guter Schritt in Richtung Selbstverwirklichung. Oben hab ich geschrieben, dass ich das Thema gehasst habe. Tatsächlich ist es auch heute noch so, weil ich es unfair finde, dass wir uns Outen “müssen”… Wieso wir? Als eine Art Bestätigung, dass wir akzeptiert werden oder soll es eine Warnung sein an die anderen Menschen in unserem Leben?
Für mich klingt das meistens so…

Denke ich an das klassische Coming Out Gespräch: “Mama, ich bin schwul.”
Ich stell mir dabei vor, wie ich da sitze und innerlich sterbe und meine Mutter warne mit diesen Worten. »Mama, du kriegst von mir keine Enkel, es tut mir leid«…
So spielt sich das in meinem Kopf ab. Schrecklich und kein gutes Coming Out.

Die genaue Übersetzung des Wortes hasse ich ebenfalls. Ich habe meistens das Gefühl, dass manche das Wort zu ernst nehmen. Coming Out heißt für mich so viel wie Ausbrechen. Aber nicht als Gefangener, sondern einfach aus sich selbst ausbrechen.
Der sein, der man sein will.

Das Leben ist zu kurz um sich den Kopf zu zerbrechen, ob das gut oder schlecht für einen ist. Mein Wunsch ist, dass wir bald in einer Welt leben, in der ein Coming Out nicht mehr notwendig ist. Es sollte egal sein, zu was sich jemand hingezogen fühlt. Solange niemand verletzt oder zu etwas gezwungen wird, sollte jede Liebe erlaubt sein.

Nicht mal ein Gott, hat das Recht zu sagen, wen ich lieben darf und wen nicht!

Ich bin kein Einfaltspinsel, der naiv oder dumm ist… Mir ist klar, dass ein Outing nicht leicht ist und jede/r, der es versucht, Kraft braucht. Die Überwindung für diesen Schritt ist gigantisch! Aber genau das ist es, was einen in diesem Moment ausmacht.
Jeder der über diese Abschnitt nachdenkt, ist auf dem richtigen Weg.

Die Erkenntnis über diese Kraft sollte jedem bewusst sein. Es bedeutet Stärke, Mut, Ehrgeiz und vieles mehr.
Das zu realisieren ist wichtig. Weil genau das von Nöten ist, beim Outing. Und einem diese letzte notwendige Kraft auch verleiht!

Das Outen bedarf Kraft, die bereits da ist, wenn darüber nachgedacht wird!
Das Outen sollte kein Grund für Angst sein, sondern ein Grund zur Freude!
Das Outen ist keine Pflicht! Das Outen ist kein Tabu!
Das Outen muss nicht gut laufen, ist es wichtig, dass dieser Schritt gemacht wurden ist.
Das Outen verändert das Leben, egal ob gut oder schlecht!
Das Outen verändert einen, aber die gute Veränderung sollte im Fokus sein!

DU BIST WAS DU BIST! DU BIST WAS DU SEIN WILLST! DU BIST EINZIGARTIG!
DU KANNST STOLZ AUF DICH SEIN! DU KANNST DICH SELBST LIEBEN!
WAS ANDERE SAGEN IST EGAL! DU MUSST NUR DIR GEFALLEN!
DU MUSST NUR DEINEN WEG GEHEN!
LEBE DEIN LEBEN UND LASS DICH NICHT VON ANDEREN ABHALTEN!
WENN DU DICH OUTEN WILLST, HAST DU BEREITS DIE KRAFT DAZU! NUTZE SIE!!!

geschrieben von: Tobias Moritz


Spiegel


Ich will einfach wieder an einem Spiegel vorbeilaufen, ohne mich vor der Person in der Reflektion zu ekeln, mich zu erschrecken oder sie einfach nicht zu erkennen. Da steht ein Mädchen, ein kleines zierliches weibliches Etwas im Spiegel. Und wer steht vor dem Spiegel? Ein Junge, der die Person im Spiegel nicht wiedererkennt. Ich will irgendwann an den Punkt kommen, wo ich dem kleinen Mädchen sagen kann „Es wird besser. Ich habe es geschafft.“ Nur wie, ich weiß nicht, wie ich zu diesem Punkt kommen soll? Ich könnte ihr auch nicht sagen, dass sie zu diesem Punkt kommen wird. Sie wird „nicht mehr leben“ wenn ich soweit bin, dass ich mich im Spiegel selber wieder erkenne. Nur bröckelt Ihre Fassade immer mehr, hinter dem kleinen Mädchen kommt immer mehr ein Junge zum Vorschein, der diesen Körper nicht versteht. Warum muss ich diesen Körper haben? Warum? Ich will ihn nicht! Ich will nicht dieses Mädchen sein und doch kann ich dieser Rolle nicht entkommen, dieser Fassade nicht entkommen. Ich will irgendwie ausbrechen. Nur aus was ausbrechen? Wenn ich mir darüber klar wäre, bliebe noch das wie. Ausbrechen aus diesem Körper, diesem Umfeld, dieser Gesellschaft? Oder nicht mal dieser Gesellschaft aber aus meinem aktuellen Leben. Ich will das nicht mehr, ich kann das nicht mehr! Zugleich habe ich aber auch Angst vor Veränderungen. Ich will das traurige Mädchen in mir in den Arm nehmen und ihr sagen, dass es nicht ihre Schuld ist, dass ich sie nicht akzeptieren kann, so wie sie ist. Genauso will ich mich auch bei dem Jungen dafür entschuldigen, dass er in einem fremden Körper zum Mann werden muss.

geschrieben von: Elay